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Rezension: Omega Seamaster Chronograph

Vielleicht fragen Sie sich: „Warum redet dieser Kerl so viel über Rolex?“ Nun, ich werde es Ihnen verraten: Die Präsenz von Rolex überwiegt die von Omega, TAG Heuer und Breitling, und zwar zusammengenommen. Rolex ist die eine Marke, die garantiert genannt wird, wenn Sie einen Fremden auf der Straße nach dem Namen einer Luxusuhr fragen. Die Rolex steht nicht nur für eine Luxusuhr, sie ist die Luxusuhr schlechthin, und alle anderen Marken versuchen, sie zu kopieren.

Ob das aus historischer, technologischer oder qualitativer Sicht gerechtfertigt ist, spielt letztendlich keine Rolle. Die Rolex ist der Maßstab, und diese Omega Seamaster Chronograph würde sie gern vom Thron stoßen. Schafft sie das auch nur annähernd?

Rolex war nicht immer der beliebteste Uhrenhersteller, und wird diesen Titel höchstwahrscheinlich auch nicht für immer behalten. Das Unternehmen ist auch nicht der besten Uhrenhersteller – wie man es auch dreht und wendet; es gibt Marken, die für weniger mehr bieten, und wir sprechen hier nicht von kleinen Unterschieden. Was man vor sich hat, wenn man die aktuelle Daytona 116500LN unter die Lupe nimmt, hat sich nicht nur im Lauf der Zeit aus dem Zusammentreffen von Technik, Fleiß und Stil entwickelt, auch das Glück hatte seine Finger mit im Spiel.

Glückspilz Rolex?

Es gibt viel, was Rolex getan hat, um sich diesen Spitzenplatz zu verdienen, aber das bedeutet eben nicht, dass das Unternehmen nicht auch jede Menge Glück hatte. Letztendlich heißt das, dass der Preis von 12.500 € offen gesagt leicht unverschämt ist, vor allem wenn man bedenkt, wie viel weniger die vorherige Generation vor nicht einmal zehn Jahren gekostet hat. Natürlich spielt die Inflation eine Rolle, aber seien wir mal ehrlich – die Leute wollen eben unbedingt Daytonas und die Preise haben sich entsprechend entwickelt.

Aber rein logisch betrachtet beißt sich hier der Hund in den Schwanz: Die Daytona ist teuer und schwer zu bekommen, weil sie begehrt ist, und sie ist begehrt, weil sie teuer und schwer zu bekommen ist. Das Henne-Ei-Problem ist schon kompliziert genug, aber hier müssen wir wohl Darwin wiederbeleben, damit er herausfinden kann, wie genau das alles passiert ist.

Können Sie sich noch an die Zeit erinnern, als gewöhnliche Menschen Daytonas getragen haben? Als der Chronograph, der jetzt eine bessere Geldanlage als Gold ist, eine Uhr war, die Sie problemlos bei Ihrem Juwelier kaufen konnten? Die Omega Seamaster Chronograph erinnert sich, und zwar mit wehmütigem Herzen, während sie im Schaufenster des Juweliers liegt und darauf hofft, dass jemand kommt und sie sein Eigen nennen will.

Es gibt keine Geschichten darüber, dass Seamasters im Hinterzimmertresor verschwinden, damit sie den besten Kunden verkauft werden können, dass Garantiekarten zurückgehalten werden, um einen Weiterverkauf zu verhindern – und doch ist die Omega Seamaster Chronograph die deutlich bessere Uhr von den beiden. Bevor wir erklären, warum das so ist, wollen wir uns ansehen, warum das im Grunde keine Rolle spielt.

Was macht einen Sammler aus?

Nehmen Sie sich kurz Zeit, um darüber nachzudenken, wie sich der durchschnittliche Mensch wohl einen Uhrensammler vorstellt. Schon das Wort „Sammler“ rückt ihn in ein schlechtes Licht – Menschen, die Dinge sammeln, werden oft als nerdige, langweilige Archivare unwichtiger und sinnloser Fakten abgestempelt, die sich aus Angst vor der Sonne und anderen Menschen nicht vor die Tür trauen. Hängt man jetzt das Wort „Uhr“ vorne an, macht man es damit nur noch zehnmal schlimmer.

Stick Dial, „Dot over 90“-Lünette, Meters first … es gibt eine Gruppe von Menschen, die es genießen, die Welt über die feineren Unterschiede zwischen den Lagerchargen verschiedener Lieferanten im Laufe der Jahrzehnte zu unterrichten, und die Freude daran finden, auch noch die kleinste Änderung aufzuzählen, die jemals an einer Modellreihe vorgenommen wurde, und das sei ihnen auch gegönnt.

Aber alle anderen, und damit meine ich den Großteil der Menschen, die sich tatsächlich von ihrem hart verdienten Geld trennen, um eine Luxusuhr zu kaufen, sehen sich hier mit einer unglaublich steilen Lernkurve und unfassbaren Haarspaltereien konfrontiert. Einen Mittelweg gibt es nur selten. Selbst die wichtigsten Eckdaten wie Wasserdichtigkeit, Gangreserve und Art der Lünette, bei denen sich die beiden Rivalen zu übertrumpfen versuchen, sind für den Durchschnittskäufer von geringer bis gar keiner Bedeutung. Sogar der Chronograph selbst dient, wenn man ehrlich ist, eigentlich nur der Optik.

Warum sollte sich also einer dieser typischen Käufer die Mühe machen, herauszufinden, ob die Seamaster Chronograph besser ist als die Daytona? Es ist ja nicht so, dass sie sich einfach eine Folge Top Gear zum Thema ansehen können. Entweder sie schwimmen mit dem Strom, hören auf ihr Bauchgefühl – oder sie werden in eine verwirrende Welt voller Spitzfindigkeiten hineingesogen und nie mehr gesehen. Es wäre schön – und eine wirkliche Ehre – dazu beitragen zu können, dass sich das ändert. Nachdem das geklärt ist, können wir uns nun ansehen, warum diese Omega ein guter Grund ist, die Rolex nicht zu kaufen.

Maße

Falls Sie sich in die Proportionen der Keramik-Daytona verliebt haben – trotz ihrer sportlichen Ambitionen wirkt ihr 40-mm-Gehäuse am Handgelenk überraschend dünn – dann werden Sie hier nicht glücklich. Die Omega ist GROSS. Mit ihrem 44-mm-Gehäuse, das stattliche 17 mm dick ist, macht sie keinen Hehl aus ihren Absichten: robuster Luxus. Sie ist eine Uhr, die in Sachen Langlebigkeit mit einer G-Shock und hinsichtlich des gewissen „Mmmm, ist das schön“-Faktors mit Farrow & Ball konkurriert. Eine seltsame Kombination, die eigentlich keinen praktischen Sinn ergibt, wenn man genauer darüber nachdenkt.

Die Seamaster Chronograph ist vor Kurzem aktualisiert worden, weil auch die neueste Seamaster vor Kurzem aktualisiert wurde, und so erbt sie natürlich die Eigenschaften ihrer älteren Schwester; konkret die gelaserten Wellen auf dem Keramikzifferblatt, strahlend weiß emaillierte Markierungen auf der Keramiklünette und ein Heliumauslassventil, das an eine Reese's Peanut Butter Cup oder einen Zahnpastatubendeckel erinnert. Besonders das Zifferblatt ist in Sachen Detailverliebtheit eine deutliche Verbesserung gegenüber dem alten Modell und ein deutliches Unterscheidungsmerkmal von der schlichten Daytona.

Manch einer mag es überladen nennen, aber da Rolex bereits den Markt für schlichte Eleganz dominiert, musste Omega hier wirklich etwas Neues ausprobieren. Und wenn ich neu sage, meine ich alt, denn die vorletzte Seamaster hatte auch schon Wellen auf dem Zifferblatt, allerdings war der Untergrund hier noch Metall und nicht Keramik. Es scheint, als hätte es bis jetzt gedauert, herauszufinden, wie sich beides kombinieren lässt. Ob es sich gelohnt hat, müssen Sie entscheiden.

Nichtsdestotrotz strömt die Uhr im Gesamtbild eine derartige Qualität aus, dass der durchschnittliche Uhrenkäufer es sich vielleicht zweimal überlegt, ob er die zwölf Riesen, die eine Daytona kostet, wirklich auf den Tisch legen will – wenn er überhaupt Gelegenheit bekommt, eine zu kaufen, was heutzutage ungefähr so wahrscheinlich ist, wie dass sich 2020 für seine Missetaten entschuldigt und auf den rechten Weg zurückfindet. Bei Omega ging es schon immer um die Liebe zum Detail, angefangen von den komplexen Kurven, die sich über das Gehäuse winden, bis hin zu den aus der Lünette geschnitzten geometrischen Muscheln; während die Rolex an die Kinderzeichnung einer Uhr erinnert, wirkt die Omega wesentlich ausgereifter. Aber auch hier gilt: Ob Sie das gut finden, müssen Sie entscheiden; hier gibt es kein richtig oder falsch.

Die Kaliber

Aber worin sich die neue Seamaster Chronograph am meisten abhebt, nicht nur von der Daytona, sondern auch von Ihrem Vorgängermodell, ist sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite zu sehen – die Rede ist vom neuen Uhrwerk. Zwei Hilfszifferblätter anstelle eines Trios lassen darauf schließen, dass diese Uhr das Kaliber 9900 der Planet Ocean übernommen hat, ein Uhrwerk, angesichts dessen sofort klar wird, warum die Seamaster Chronograph so gewachsen ist. Stellen Sie sich das Kaliber 9900 als eine ausgewachsene Gazelle und die Seamaster Chronograph als die übereifrige Schlange vor, die sie sich einverleibt hat.

Warum das Kaliber so groß ist, ist nicht ganz klar – ja, es hat zusätzlich zum versteckten Kaliber 4130 der Daytona eine Datumsanzeige, ein 15.000-Gauss-Magnetschutzfeld, eine Co-Axial-Hemmung, zwei Federhäuser, eine Titan-Unruh mit Silizium-Spiralfeder und ein Chronographen-Hilfszifferblatt mit zwei Zeigern – aber da ist sie wieder, diese klippenartige Lernkurve und eine Informationslawine, die selbst beim Angeben in der Kneipe zu viel des Guten ist. Versuchen Sie einmal, einer Person, die sich nicht mit Uhren auskennt, beizubringen, dass Ihre Uhr eine Unruhspirale aus Silizium hat und – na ja, Sie können sich sicher schon den leeren Blick vorstellen.

Also ja, die Omega ist größtenteils besser ausgestattet, hat für die meisten wohl das bessere Design, eine bessere Provenienz, ist besser verarbeitet und sogar preisgünstiger – über 4.500 € unter dem aus der Luft gegriffenen UVP der Daytona – da fragen Sie sich vielleicht, warum sie jemand NICHT der Rolex vorziehen würde. Nun, leider funktioniert das so nicht. Vergessen Sie nicht, dass wir hier über robusten Luxus sprechen. Da muss nicht alles Sinn ergeben. Die meisten Menschen entscheiden sich aus einem warmen Bauchgefühl heraus und nicht aufgrund nüchterner, kalter Fakten, die auf einem Datenblatt aufgelistet sind. Es lässt sich nicht leugnen, dass ein begehrtes Erfolgsprodukt attraktiv ist, und da kann die Omega im Moment einfach nicht mithalten.

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