Thema: Die Elvis-Armbanduhr, die die Branche erschütterte
Wenn alle Bedingungen für eine Kult-Armbanduhr erfüllt werden sollen, hat man mit Hamiltons Ventura-Modell den perfekten Kandidaten gefunden. Höchst markantes Design? Erfüllt. Bahnbrechende Technologie? Erfüllt. Und was das Prominenten-Prestige angeht, gibt es keine höhere Position in der Spitzenklasse als Elvis Presley und eine der größten Filmreihen der vergangenen zwei Jahrzehnte.
Aber das wirklich Interessante an der Ventura ist die Rolle, die sie bei der Entwicklung nichtmechanischer Uhren spielte, die einen so verheerenden Effekt auf die Branche hatte.
Außerirdische und Kommunisten
Die Ventura war ein Vorläufer der Quarzuhren und verkörperte die Ära der Rivalität des Kalten Kriegs, der billigen Science-Fiction-Filme über außerirdische Invasoren und der wirtschaftlichen Hochkonjunktur.
Man man über die Worte "amerikanische Erfindung" im Zusammenhang mit Armbanduhren lächeln, aber in mancher Hinsicht waren in der Mitte der 50er Jahre die USA der Schweiz überlegen. Zehn Jahre nach dem Krieg waren sie das wohlhabendste Land der Welt und ihre produzierende Industrie florierte.
Sie befand sich auch in einem verbissenen Wettstreit mit der Sowjetunion um den Sieg beim Wettlauf ins Weltall. Jede technologische Neuerung, die aus den USA kam, war nicht bloß eine Gelegenheit für das Land, sich gegenüber seinem erbitterten Gegner zu brüsten. Sie war der greifbare Beweis dafür, dass diese bösen Kommunisten immer noch in der Steinzeit lebten, während Uncle Sam den Inbegriff des Fortschritts darstellte.
Geboren in den USA
Als Hamilton die Ventura herausbrachte, existierte das Unternehmen bereits seit 65 Jahren und war somit älter als Rolex. Wie so viele Armbanduhrenhersteller hatte es mit der Produktion von Taschenuhren begonnen, ehe es nach dem Ersten Weltkrieg zu Armbanduhren wechselte. Es war auch der Hauptlieferant von Eisenbahn-Armbanduhren für das rasant wachsende US-Eisenbahnnetz gewesen und hatte Marinechronometer für die US-Marine hergestellt.
Die USA hatten in den 1950er Jahren eine blühende Armbanduhren-Industrie. Einheimische Marken wie Waltham, Benrus und Timex fabrizierten Uhren so massenhaft wie Gummibärchen, während Elgin und Bulova auch an ihrer eigenen elektronischen Armbanduhr arbeiteten.
Doch Hamilton schlug als Erster zu mit der Erfindung eines Uhrwerks, das angetrieben wurde, indem der Kontakt zu einem batteriebetriebenen Elektromagneten der Unruh regelmäßig einen "Stoß" versetzte. Anders ausgedrückt: Es war noch immer zum Teil eine mechanische Uhr, doch die Notwendigkeit einer Uhrfeder war vollkommen beseitigt worden.
Hamilton kündigte die neue Armbanduhr bei einer Pressekonferenz in New York im Januar 1957 an und pries sie als "die erste grundlegende Veränderung bei tragbaren Uhren seit 477 Jahren". Es war nicht allein für Hamilton ein Coup, sondern für ganz Amerika.
Elvis bringt die Schweiz ins Abseits
Aber nicht alleine die Technik im Inneren fesselte die Öffentlichkeit, sondern auch das Design der Armbanduhr. Natürlich hätte Hamilton sein neuartiges Kaliber in einem herkömmlichen Gehäuse unterbringen können. Doch es war das Jahr 1957. Die Sowjets waren im Begriff, ihren Sputnik-Satelliten zu starten, überall schlossen sich Teenager der Rock'n'Roll-Rebellion an und die Kinos waren voll von Filmen mit Titeln wie Fliegende Untertassen greifen an.
Hamilton wollte eine Armbanduhr, die zu ihrer Zeit passte, also wurde der angesagte Produktdesigner Richard Arbib beauftragt, ein Gehäuse zu entwickeln, das keinem anderen ähnelte. Bis dahin hatte Arbib nur Autos und Boote gestaltet, und kurz zuvor war er für sein Weltraumzeitalter-Konzeptauto Astra-Gnome gepriesen worden.
Er hatte auch Titelbilder für Science-Fiction-Magazine entworfen, also war es keine Überraschung, als Arbib, der völlig freie Hand erhalten hatte, etwas hervorbrachte, das sich beinahe der Beschreibung erwehrte. Wovon genau war das Ventura-Gehäuse inspiriert? Von einem außerirdischen Raumschiff? Von einem Schild? Oder vielleicht vom Buchstaben D – einer verborgenen Anspielung auf den damaligen Präsidenten Dwight D. Eisenhower? Was auch immer es war, die Ventura bot den Menschen Gesprächsstoff und erhielt einen atemberaubenden Publicity-Schub, als sie vom größten Musiker jener Zeit getragen wurde – Elvis Presley. Elvis trug nicht nur 1961 im Film Blaues Hawaii eine Ventura, sondern auch abseits der Leinwand.
Einstellung und Wiederbelebung
Trotz des großen Aufsehens, die es bei seiner Einführung erregte, waren dem Ventura-Modell jedoch nur sechs Jahre beschieden, ehe Hamilton es einstellte. Bulovas weitaus zuverlässigere Accutron-Uhr mit ihrer Stimmgabel entwickelte sich zur elektronischen Uhr der Wahl, und dann kamen natürlich die Japaner und die Quarz-Revolution der 1970er Jahre.
Und so geriet die Ventura in Vergessenheit – eine Kuriosität aus einer anderen Epoche, berühmt gemacht von einem Sänger, der nun eine übergewichtige Shownummer in Las Vegas war. Weniger der König des Rock'n'Roll als vielmehr der König der Wurstbrote.
Doch ein weiteres Kapitel sollte der Geschichte der Ventura hinzugefügt werden.
In den vergangenen Jahren ist in jedem Teil der Blockbuster-Scifi-Reihe Men In Black eine Version der Uhr aufgetaucht. Sie ist nun mit Quarz- und Automatikwerken versehen, hat eine neue Generation von Fans gewonnen und sogar ihre Verbindung zu Elvis anerkannt, als 2015 am 80. Geburtstag des Sängers ein Modell in begrenzter Auflage erschien.
Obwohl sie noch immer eine Art origineller Besonderheit darstellt – selbst in einer Welt verrückter Armbanduhren, die etwa von Richard Mille und MB&F hergestellt werden –, ist die Ventura dennoch eine erschwingliche Meilenstein-Armbanduhr, die ihren rechtmäßigen Platz in den Geschichtsbüchern verdient. Ein wahres Stück Retro-Americana, das immer Blicke auf sich ziehen wird.
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